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Ökostrom intelligent in die Netze integrieren

am 09.10.2014

Der Anteil der erneuerbaren Energien im deutschen Stromnetz steigt rasant an. Aber mit ihrer schwankenden und gleichzeitig bevorzugten Einspeisung stellen sie auch ganz erhebliche Anforderungen an die Netze. Dies ist eine Aufgabe, mit der sich auch die STAWAG in dem Projekt „smart area aachen“ seit einigen Jahren intensiv beschäftigt. Ein Interview mit den Projektleitern Robert Frings und Peter Zimmer zum Projektfortschritt ist in der Augustausgabe 2014 der et – Energiewirtschaftliche Tagesfragen erschienen.

Der Anteil der erneuerbaren Energien im deutschen Stromnetz steigt rasant an. Im ersten Quartal dieses Jahres deckten sie rd. 27 % des deutschen Stromverbrauchs. Aber mit ihrer schwankenden und gleichzeitig bevorzugten Einspeisung stellen sie auch ganz erhebliche Anforderungen an die Netze. Das hat seinen Grund insbesondere in der Pflicht der Netzbetreiber, den Ökostrom aufzunehmen. In der Praxis kann das – je nach Witterungslage – zu großen Belastungen führen.
Eine wichtige Aufgabe ist daher, die Netze für künftige Herausforderungen zu rüsten. Gesucht werden folglich Mittel und Wege, um möglichst effizient und kostengünstig wachsende Mengen an Solar- und Windstrom in die Netze einspeisen zu können.

Der Umgang mit der wachsenden Einspeisung fluktuierenden Stroms aus erneuerbaren Energien ist eine Aufgabenstellung, mit der sich auch die Stadtwerke Aachen AG (STAWAG)
in dem Projekt „smart area aachen“ seit einigen Jahren intensiv beschäftigt. Begonnen hat alles Anfang 2010, als man sich entschied, mit der RWTH Aachen die Leistungsfähigkeit
künftiger Stromnetze zu definieren und zu erproben. Die Zielvorgabe lautete, auf einen einfachen Nenner gebracht: Wie kann die Effizienz der Netze unter technischen und
wirtschaftlichen Aspekten optimiert werden, damit der steigende Anteil an regenerativem Strom problemlos integriert wird? Derzeit beträgt die Einspeisung aus erneuerbaren
Energien im Netz der STAWAG rd. 50 MW, 20 MW davon stammen aus Photovoltaikeinspeisungen. Da sie in Zukunft weiter ansteigen werden, bedeutet das für
die Netze eine erhebliche zusätzliche Belastung. Parallel zu den Planungen wurden Gespräche mit dem Bundeswirtschaftsministerium geführt, um das Projekt mithilfe
von Fördergeldern realisieren zu können. Dabei wurde schnell klar, dass ein lokal eingegrenzter Bereich für belastbare Erfahrungen nicht ausreicht.

In der Folge fiel die Entscheidung, ein aus 13 Partnern bestehendes Konsortium aus Industrie, Forschung und Energiewirtschaft zu bilden und den Test im rd. 3 000 km langen
Mittel- und Niederspannungsnetz in Aachen durchzuführen. 2012 begannen die Arbeiten unter Führung der STAWAG. Als erste Schritte wurden Anforderungsprofile
erstellt und – darauf aufbauend – Hard- und Softwarelösungen entwickelt. Mittlerweile ist diese Phase abgeschlossen, und der bis Sommer 2017 laufende Feldtest gewinnt zunehmend an Fahrt.

Stabile Netzspannung im Mittelpunkt

Im Mittelpunkt der Aktivitäten steht die Gewährleistung einer Netzspannung, die gemäß DIN 50160 zwischen maximal +10% und -10 % von der Nennspannung abweichen
darf. Je mehr Solarstrom eingespeist wird, desto stärker sind die Beeinflussungen. Werden die Grenzwerte überschritten, besteht die Gefahr, dass elektrische Geräte
beschädigt werden und nicht mehr funktionieren. Unter den insgesamt sieben Bausteinen des Projektes „smart area aachen“ fallen einige besonders ins Auge. Da ist zunächst
der Einsatz von regelbaren Ortsnetztransformatoren, kurz RONT, zu nennen. Im Gegensatz zu konventionellen Transformatoren können sie Spannungsschwankungen von bis zu 10 % ausgleichen und so einen stabilen Betrieb auch bei massiver Einspeisung sicherstellen. Derzeit haben die Aachener Stadtwerke nach eigenen Angaben fünf solcher Anlagen im Feldtest. Weitere sollen hinzukommen. Die genaue Anzahl ergibt sich schließlich aus den Erfahrungen, die im Verlauf des Projektes, das als dynamischer Prozess verstanden wird, gemacht werden.
Neben diesen RONT sind noch vier weitere Netzstationen im Aufbau, die über eine intelligente Fehlerortung die Betriebsführung optimieren sollen. Dazu werden neue
Algorithmen entwickelt, die Unregelmäßigkeiten im Netz erkennen und umgehend an die Leitwarte melden. Überhaupt spielt die Kommunikation eine wichtige Rolle im
Projekt der Aachener. Denn aufgrund der EE-Einspeisung müssen permanent zahlreiche aktuelle Informationen über den Netzzustand und die -auslastung für einen stabilen Betrieb zur Verfügung stehen. Die erforderlichen Daten wie Spannung und Leistungswerte werden im Feldtest in den Ortnetzstationen abgegriffen und mithilfe einer neuen Kommunikationsinfrastruktur in die zentrale Schaltstelle des Unternehmens übermittelt. Wo das nicht möglich ist, bedient man sich spezieller Rechenmodelle, um belastbare Schätzwerte zu erhalten.

Kennziffergesteuerte Instandhaltung

Wichtig sind die Informationen zudem für die Planung und Instandhaltung der Netze. Zuerst zur Planung. Hier wurde im Projekt genau definiert, welche Anforderungen in den nächsten Jahren im Versorgungsgebiet erfüllt werden müssen, damit bspw. bei Gewerbebetrieben keine Schäden durch Versorgungsunterbrechungen auftreten. Das ist Voraussetzung dafür, in einem zweiten Schritt Netzkonzepte zu entwickeln und modernste Informations-und Kommunikationstechniken zu implementieren, was auch direkte Auswirkungen auf die Wartung und Instandhaltung hat. Die Zeit regelmäßiger Begehungen von Ortsnetzstationen ist vorbei. Alle relevanten Daten werden bei smart area aachen auf elektronischem Wege erfasst. Das Ziel ist, von starren Wartungsterminen hin zu einer kennziffergesteuerten Instandhaltung zu kommen. Ergänzt wird das Projekt durch begleitende Forschung. Sie soll das Gesamtsystem betrachten und die Akzeptanz für innovative Lösungen bei einer zunehmend regenerativen und dezentralen Stromeinspeisung auszubauen – insbesondere im Hinblick auf die Regulierung der Stromnetze.

RONT oder Kupferkabel?

Mit dem bisherigen Verlauf des Projektes, in das rd. 100 Personen eingebunden sind, davon etwa 20 bei der STAWAG, ist man in Aachen nach eigenem Bekunden sehr zufrieden. Viele technische Maßnahmen seien mittlerweile umgesetzt worden, und der Feldtest habe bereits erste noch weiter zu vertiefende Erkenntnisse geliefert, z. B., wann ein regelbarer Ortsnetztransformator oder ein zusätzlich verlegtes Kupfer-Erdkabel die wirtschaftlichere Alternative zur fluktuierenden Aufnahme von Ökostrom ist. Oder welche Möglichkeiten eine moderne Kommunikationsinfrastruktur für eine umfassende Netzplanung bietet. Nach Abschluss des fünfjährigen Projektes, das einen Rahmen von 10 Mio. € hat und überwiegend vom Bundeswirtschaftsministerium sowie den Aachener Stadtwerken getragen wird, werden die Ergebnisse ausgewertet und Dritten zur Verfügung gestellt. Die Aachener erwarten, dass viele kommunale Versorgungsunternehmen davon Gebrauch machen werden. Schließlich wird der meiste regenerativ erzeugte Strom in die Verteilnetze eingespeist. Und ein effizientes Netz ist immer ein wichtiger Wettbewerbsfaktor.

G. Lengsdorf, Fachjournalist, Bonn